Die Geschichte des Ortszirkels „Bundestag“ im KV zu Frankfurt
118 Jahre KV in Frankfurt, Franz Hemer Staufia, die älteste KV-Korporation in Frankfurt, Dr. K. H. |
118 Jahre KV in Frankfurt
Es folgt die Abschrift der Aufzeichnungen zur Festrede unseres lieben Kb Franz Hemer auf dem Ortszirkel-Gründungsfest 2002:
1. Der KV erst 118 Jahre in Frankfurt ?
Bei der Diskussion des Themas über diesen Vortrag bin ich davon ausgegangen, dass der Titel heißen soll: „118 Jahre KV-OZ „Bundestag“ in Ffm“. Als ich die Einladung erhielt, fiel mir auf, dass der Titel heißt: „118 Jahre KV in Ffm“. Das ist eine wesentliche Erweiterung des Themas und des Inhalts; es umfasst also auch die drei Frankfurter Studentenvereine des KV: Frankonia, Guestphalia und Staufia. Es würde zu weit führen, heute Abend die Geschichte des OZ und der drei Vereine darzustellen. Man braucht ja schon Tage, um die Festschriften der drei Vereine zu studieren, also muss ich das Wirken des KV in Frankfurt am Main in sehr gedrängter Form darstellen, wobei das Schwergewicht auf dem Ortszirkel liegen soll. Bleibt man bei dem Thema, so stimmt es als solches auch nicht, denn es müsste heißen: „139 Jahre KV in Ffm“.
Es war am 21. September 1863, als der Ordner des katholischen Lesevereins zu Berlin im Auftrag dreier späterer KV- (Gründungs-) Vereine (Aenania, Winfridia und Leseverein Berlin) in der Versammlung der katholische Vereine Deutschlands (vom 20. bis 23.09.1863) in Frankfurt am Main eine Rede hielt, die als „erste öffentliche Prinzipienrede katholischer Korporationen“ als „ein Markstein in der Geschichte“ genannt wurde. Dieses Datum ist zwar nicht das Gründungsdatum unserer einzelnen Vereine, aber das Datum, in dem erstmals drei der Gründungsvereine des KV gemeinsam in der öffentlichkeit auftraten. Das wird auch heute noch so von unserem Verband gewertet. Also muss man sagen: 139 Jahre KV in Frankfurt am Main
2. Der KV-OZ „Bundestag“ zu Frankfurt am Main
1884 gab es einige wichtige Geburtstage:
– Theodor Heuß (+ 1963)
– Eduard Benesch (+ 1948)
– der KV-OZ „Bundestag“ in Frankfurt am Main – lebt noch !
Das genaue Datum und die Geburtsstätte sind nicht bekannt, ebenso wenig die Gründungsväter und welchen KV-Vereinen diese angehört haben. Es können Frankfurter darunter gewesen sein, die irgendwo in Deutschland studiert haben. Schließlich gab es 1884 bereits 20 deutsche Universitäten, aber keine in Frankfurt am Main. Es können auch deswegen Frankfurter darunter gewesen sein: Frankonia wurde 1875 in Straßburg gegründet, wo ja viele Deutsche studierten, auch aus unserem Raum. Warum soll nicht auch ein junger Alter Herr mit von der Partie gewesen sein ?
3. Warum die Bezeichnung „Bundestag“ ?
Auch ich habe bis vor einigen Jahren einen Zusammenhang gesehen mit der ersten Deutsche Nationalversammlung 1848/1849 in Frankfurt am Main. Aber dem ist nicht so ! Nie gab es in diesem politischen Zusammenhang eine Bezeichnung „Bundestag“.
Ich habe mir folgende Gedanken gemacht: Die Gründungsväter stammten aus allen Himmelsrichtungen Deutschlands, hatten also nicht unbedingt eine sehr enge Beziehung zu Frankfurt am Main, zu Persönlichkeiten und Örtlichkeiten. Hätte sich nicht „Römer“ oder „Goethe“ – nicht katholisch ! – oder eines der in Frankfurt am Main gewählten und gekrönten Häupter angeboten ? Bei der „Nationalversammlung“ war man vielleicht nicht in der entsprechenden politischen Richtung, sie hatte noch nicht die historische Bedeutung, lokale Persönlichkeiten oder Örtlichkeiten wollte man also nicht.
So ging man in die Geschichte, in der die bis 1866 „Freie Reichsstadt“ Frankfurt am Main neutral war und – wie häufig – eine besondere Rolle spielte: Als auf dem Wiener Kongress 1815 der „Deutsche Bund“ gegründet wurde, in dem 35 deutsche Fürstenstaaten und 4 freie Reichsstädte lose zusammengeschlossen waren, wurde die freie Stadt Frankfurt am Main als neutraler Ort zum Sitz der „Bundesversammlung“ gewählt. Die jährliche Versammlung ihrer Vertreter wurde „Bundestag“ genannt. Er tagte im Palais „Thurn und Taxis“ in der Großen Eschersheimer Str. (heute steht nur noch das Portal). Viele Deutsche erwarteten, dass eines Tages aus diesem Zusammenschluss ein deutscher Nationalstaat mit verfassungsmäßigen Freiheitsrechten entstehen könnte. Aber es war und blieb nur ein Zusammenschluss von Regionen ohne politische Konsequenzen bis zur Gründung des Kaiserreiches 1871.
Ich könnte mir vorstellen, dass die Gründer des OZ ebenfalls einen solchen Nationalstaat befürwortet haben, aber von der Reichsgründung durch Bismarck und dessen anschließend gegen die Kirche geführten Kulturkampf so enttäuscht waren, dass sie die Bezeichnung „Bundestag“ als Ausdruck ihrer inneren Gesinnung wählten. Zumal, – wie ich schon sagte – viele dieser jungen KVer aus den verschiedensten Regionen, sprich: „Kleinstaaten“ stammten. So ist man mit dieser Bezeichnung niemandem zu nahe getreten, es könnte sogar volle Übereinstimmung bei der Namenswahl gewesen sein.
4. KV-Leben in Frankfurt am Main von 1863 bis 1938
Mir war es wichtig, über diese Dinge einmal nachzudenken: Das erste Auftreten des KV in Frankfurt am Main und die Namensfindung des OZ. Nun zum Wirken des KV in Frankfurt am Main.
4.1 Der KStV Staufia zieht von Straßburg nach Frankfurt am Main
Eine wesentliche Verstärkung erfuhr die KV-Gemeinschaft in Frankfurt am Main durch die Eröffnung der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität (vorher: „Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften“) 1914. Staufia – 1904 von der überaus starken und aktiven Frankonia in Straßburg gegründet – hatte ab etwa 1912 Nachwuchssorgen: einmal durch die Unigründungen im „Mutterland“ und zum anderen später verstärkt durch die aufziehende Kriegsgefahr. 1913 verabschiedete sich Staufia von Straßburg und suchte eine neue Bleibe. Es bot sich Frankfurt am Main an mit der neuen Uni. Im SS 1914 fand der Kommers zur Wiedergründung statt, im „Kaiserhof“ am Goetheplatz.
Der OZ „Bundestag“ förderte das Wiedererstehen der Staufia mit allen Kräften, insbesondere durch einen Aufruf an alle studierenden KbKb, in das wunderschöne Frankfurt am Main zu kommen. Es war ein gelungener Start, aber der 1. Weltkrieg brach aus. Trotzdem konnte Staufia dank einer guten Mitgliederzahl Einfluss nehmen im Frankfurter Studentenleben und im KV-Bundesleben. Sie hatte den Krieg so gut überstanden, dass sie 1919 die Frankonia – ihre Mutter – in Frankfurt am Main wieder gründen konnte. Frankonia musste aufgrund des verlorenen Krieges Straßburg verlassen.
4.2 Der KV auf der 61. Generalversammlung der deutschen Katholiken
Diese Generalversammlung war der Katholikentag. Er fand vom 28. bis 31.08.1921 in Frankfurt am Main statt. Der OZ „Bundestag“ und die beiden Aktivitates, Frankonia und Staufia, luden anlässlich dieser katholischen Versammlung alle KVer zu einem „Verbandscommers“ am 29. August 1921 (Montag !) in das VBH ein. Hunderte Teilnehmer, ca. 60 Chargen, Vertreter anderer Studentenverbände, Ehrengäste aus Staat und Kirche. erlebten einen glänzenden Kommers, der im gesamten Deutschland großen Widerhall fand.
4.3 Die goldenen 20er Jahre
In der Zeit nach dem glanzvollen Kommers bis zur Auflösung Ende der 30er Jahre durch den Nationalsozialismus fanden 1925 das 50-jährige Stiftungsfest der Frankonia und 1929 das 25-jährige Stiftungsfest der Staufia statt. Zusammen mit dem OZ „Bundestag“ fand am 25.05.1929 erstmals im „Frankfurter Hof“ ein Festessen und ein Festball statt. In der Staufengeschichte steht: „Das Ereignis fand eine großartige Resonanz“ in der Rhein-Main-Region. Trotz Inflation und Weltwirtschaftskrise waren die 20er Jahre für OZ, Frankonia und Staufia auch „Goldene Jahre“. Sie gipfelten in der Gründung der „Amelung“ durch die Staufia und deren Publizierung auf dem 26. Stiftungsfest der Staufia vom 04. bis 08. März 1930.
Wie alle anderen katholischen Studentenvereine und Organisationen wurde auch der OZ und die KV-Studentenvereine im Jahre 1938 durch die Nationalsozialisten aufgelöst.
5. Das KV-Leben in Frankfurt am Main nach dem 2. Weltkrieg
5.1 Wiedergründung von OZ und Staufia
Wie überall begann 1947 sich das KV-Leben in Frankfurt am Main zu rühren. Es gab erhebliche Schwierigkeiten, sich wieder zu gemeinsamen Veranstaltungen zusammen zu finden. In Frankfurt am Main waren bis dahin rund 200 KVer ermittelt worden, wobei der Frankone Karl Anton Luksch zunächst die Koordination übernahm.
Am 30.05.1948 wurde in den Räumen des Restaurant „Weil“ im VBH mit dem 44. Stiftungsfest Staufiae sowohl die Wiedergründung Staufiae als auch des OZ „Bundestag“ gemeinsam mit ca. 350 Teilnehmern gefeiert. Der 1. Vorsitzende des OZ „Bundestag“ war der Chefarzt des Marienkrankenhauses in Frankfurt am Main, Kb Dr. Bauch, der 1. Vorsitzende des AHV Staufiae Dr. Theo Maier. Er schlug in seiner begeisterten und begeisternden Art den Festkommers zur Wiedergründung.
5.2 Wiedergründung der Frankonia und Gründung der Guestphalia
Staufia war innerhalb von zwei Jahren nach ihrer Wiedererstehung nach dem Krieg schon wieder so stark gewachsen, dass sie auf ihrem Stiftungsfest am 23.06.1950 aus ihren eigenen Reihen Frankonia wieder gründen konnte, also das zweite Mal: 1920 und 1950. Unter starker Anteilnahme des OZ „Bundestag“, ja des gesamten Rhein-Main-Gebietes, wurde das 1. Stiftungsfest (nach dem Kriege) und gleichzeitig das 75. am 18./19.11.1950 im „Steinernen Haus“ gefeiert.
Sechs Jahre nach Wiedergründung der Frankonia war Staufia wieder so stark- 70 aktive Mitglieder -, dass sie am 23.02.1956 die Guestphalia Berlin wieder reaktivieren konnte.
5.3 Die Winterbälle des OZ „Bundestag“
Zwar war der Frankfurter Hof schon vor dem 2. Weltkrieg Veranstaltungsort für den Frankfurter KV. Die Säle des VBH waren jedoch eher wieder aufgebaut als der Frankfurter Hof, so dass viele Jahre lang die Bälle im VBH stattfanden. Nach einem Vertragsbruch des VBH musste sich der OZ „Bundestag“ nach einem neuen Ballsaal umsehen und fand nichts Besseres als den in den 50iger Jahren wieder aufgebauten Frankfurter Hof. Am 20.01.1962 fand dort der erste Festball des KV nach dem 2. Weltkrieg statt: „…der Festsaal des Hotels „Frankfurter Hof“ konnte die Zahl der Teilnehmer kaum fassen, die dieses festliche Ereignis miterleben wollten“, „…hatte ein lebhaftes Echo im Rhein-Main-Gebiet gefunden.“ (Zitate: Frankonen- und Staufengeschichte)
Seit dieser Zeit hat der OZ „Bundestag“ jährlich seinen Winterball im Frankfurter Hof gefeiert. Aufgrund immer höher gestiegener finanzieller Forderungen des Hotels und einer gewissen Unzufriedenheit mit dem Service wanderten wir dann zum Interconti und letztlich in die Räumlichkeiten des Restaurants der „Jahrhunderthalle“, bis wir schließlich mit der kräftigen Unterstützung eines Kb wieder in den Frankfurter Hof zurückkehren konnten.
6. Die VV in Frankfurt am Main
Ein absoluter Höhepunkt im Frankfurter KV-Leben nach dem Krieg war die VV 1999 in Frankfurt am Main. Das Lob über die gute Organisation und das umfassende gesellschaftliche Programm dieser VV durch den Frankfurter OZ „Bundestag“ unter Federführung der KbKb Dr. Nikolaus Hasslinger und Ludger Vossenberg war überwältigend.
7. Aktionen und Namen
Auch die Frankfurter KV-Tage, seit einigen Jahren ebenfalls von den KbKb Dr. K. H. und Ludger Vossenberg vorbildlich organisiert, finden – selbst bei CV und UV – guten Anklang. So wie auch der OZ „Bundestag“ gute Kontakte zu den beiden anderen Verbänden seit Jahrzehnten hält. Viele Namen könnte man nennen, von KbKb unseres OZ „Bundestag“, die das Zirkelleben gestaltet haben, so die KbKbTheo Maier, Knauerhase und vor allem Dr. Jakob Böhler, Moritz Lübbers und hier unser 90-jähriger Reinhard Sobtzick. Sie haben viele Jahre den Vorstand gebildet. Auch im Verband waren KbKb des OZ in der Leitung tätig. Allen voran die KbKb Theo Maier, Knauerhase, Ewald vom Rath und in den letzten Jahren Kb Dr. K. H..
Ein Abriss über 139 Jahre KV in Frankfurt am Main. Vielleicht lässt sich daraus einmal die Geschichte des KV in Frankfurt schreiben.
Franz Hemer, Frankfurt am Main, 2002
Staufia, die älteste KV-Korporation in Frankfurt
Es folgt die Abschrift der Aufzeichnungen zur Festrede unseres lieben Kb Dr. K. H. auf dem Ortszirkel-Gründungsfest 2004:
Hohes Präsidium,
Verehrte Damen,
meine lieben Bundes- und Kartellbrüder-
liebe Gäste
Vorbemerkungen
1. Bezeichnung: „Staufia – älteste KV-Korporation in Frankfurt“sollte keine Animositäten weckenStaufia seit 1992 ohne Aktivitas mehr – wir sitzen im Glashaus und werfen nicht mit Steinen !einige Worte zur Gründung der Verbindungen an der Universität in Frankfurt am Main
2. Gesamte geschichtliche Entwicklung der Staufia in Frankfurtist zuviel für einen Vortrag, wenn mehr als nur Fakten referiert werden sollenFolge: Beschränkung auf die Zeit seit dem II. Weltkrieg
3. Konsequenz: Dreiteilung der Ansprache
(1) Gründung der Verbindung an der Universität Frankfurt am Main
(2) Geschichte der Staufia seit 1948
(3) Gedanken zur Zukunft des KV in Frankfurt am Main.
Die Gründung der Frankfurter Universität
1895 | Gründung des Instituts für Gemeinwohl (Wilhelm Merton) |
1901 | Gründung der Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften (Handelsakademie)(unter Einschluss des Instituts für Gemeinwohl) |
1912 | Verträge zwischen Stadt Frankfurt und der Handelsakademie sowie anderer Stiftungen (z.B. Senkenberg Museum) betreffend die Gründung einer vollen Universität |
1914 | Genehmigung der Universität durch das preußische Kultusministerium in Berlin |
1914 | Eröffnung des Vorlesungsbetriebs der Universität im Sommersemester |
Verbindungen an der Handelsakademie bzw. an der Universität
1902 | (= kurz nach Eröffnung der Handelsakademie) Vereinigung Studierender an der Handelsakademie (Zweck: allgemeine Interessenvertretung, offenbar noch ohne typische Traditionen von Verbindungen) |
1905 | Umwandlung in eine Landsmannschaft „Frankonia Frankfurt“ (später Coburger CC) |
1908 | Gründung einer Freien Landsmannschaft „Moenania Frankfurt“ |
Gründung von Verbindungen an der neuen Universität Frankfurt
1913 | Hasso-Nassovia im CV |
1914 | Staufia-Straßburg im KV |
1914 | ATV Tuiskonia im Allgemeinen Turnerbund VDSt (Verein Deutscher Studenten) in Frankfurt im VVDSt Alemannia (Burschenschaft) |
1915 | KC Nassovia (jüdische Verbindung) |
1917 | Unitas Frankfurt im UV |
Gründung von Verbindungen nach dem 1. Weltkrieg (meist aus Straßburg)
1918 | Arminia Straßburg und Germania Straßburg (Burschenschaften) |
1919 | Alsatia (Turnerschaft) und Teutonia auf der Schanz (Coburg) Wingolf (= christliche Korporationen) Frankonia Straßburg im KV und Badenia im CV |
1920 | Corps Austria und Palaio-Alsatia (Kösen) |
Ende – wohl- aller Verbindungen im Jahr 1935
mit dem Beschluss, da Korporationen keine Erziehungsgemeinschaften i.S.d. Nationalsozialismus seien.
Die Reaktivierung bzw. Neugründungen nach dem II. Weltkrieg (1947/1948)
1. Die Verbindungen wurden als Organisationen im Dritten Reich eliminiert. Die Idee der Verbindungen hat aber das Dritte Reich überlebt
2. Zuerst die Neuorganisation der Altherrenschaften – meist in den Jahren 1947 und 1948
3. Dann die Reaktivierung der Aktivenkorporationen
1948 | – Hasso-Nassovia und Badenia im CV – Staufia im KV und die Unitas Frankfurt |
1949 | – die Landsmannschaft Frankonia Frankfurt, – Arminia-Straburg (Burschenschaft), – Corps Austria und Palaio-Alsatia (Corps), – Teutonia auf der Schanz (Alte Landsmannschaft) |
1950/51 | gab es weitere Reaktivierungen (hier nicht von Interesse) |
4. Neue Korporationen nach dem II. Weltkrieg
1950 | – Greiffenstein Brestlau und Moeo-Frankonia (CLGVL) |
1956 | – Guesthpalia Berlin im KV |
5.Reaktivierung der Verbindungen war also offenbar ein weit verbreiteter Wunsch
Reaktivierung war aber gesellschaftlich und an der Universität höchst umstrittenPolitische Neuorientierung nach dem Dritten Reich notwendigVerbindungen hatten den Geruch des Traditionellen und damit der „Alten Zeit“insbesondere hinsichtlich der beruflichen Seilschaften
6. Reaktivierung der StaufiaSommersemester 1948 – Gründung mit Josef Müller, Lehrer an einem GymnasiumErste Rezeptionskneipe am 28. Mai 1948Großer Reaktivierungskommers mit 44.Stiftungsfest der Staufia am 30. Mai 1948350 Teilnehmer (= unterstreicht das Interesse an der Neugründung des KV in Frankfurt)Festrede Dr. Theo Maier zu den Prinzipien des KV und zum Platz des KV im neuen Deutschland!!!Rückbesinnung auf das religiöse Fundament als Grundlage für den neuen deutschen Staat
Die goldenen Jahre nach dem II. Weltkrieg (1949 – ca. 1966/67)
1. | Gesellschaftliches Umfeld an der Universität bzw. an den Universitäten in Deutschland: |
– intellektuelle Neuorientierung nach dem Untergang des Dritten Reiches | |
– totaler Neubeginn (gesellschaftlich und politisch) | |
– Reaktion auf das repressive NS-Regime war Drang nach Freiheit | |
– ehemalige Kriegsteilnehmer wollten die „verlorene Jugend“ erleben | |
– allerdings auch Auseinandersetzung zwischen ehemaligen Soldaten und jungen Studenten | |
– relative Armut der Studenten begünstigt Verbindungsleben | |
– 1951 – erster Heidelberger Schlosskommers (einer der Initiatoren war Dr. Theo Maier) | |
– Regelmäßige Zusammenarbeit mit KV in Mainz und Heidelberg. | |
2. | Entwicklung des Vereinslebens bei der Staufia: |
– lebhafter Gedankenaustausch und Diskussionen über den neuen deutschen Staat | |
– innere Auseinandersetzung über die Gestaltung der Korporationen (Saufia – Saftia) | |
– Thema des SS 1951 „Soziale Fragen der Gegenwart“ | |
3. | Mitgliederentwicklung, Gründung von Frankonia (1950) und Guestphalia (1956) |
SS 1949 – 35 Aktive | |
SS 1950 – Neugründung der Frankonia (75. Jubiläum) | |
WS 1951/52 Aktivitas hatte 42 Mitglieder (inkl. Inaktive) | |
4. | SS 1954 |
– Aktivitas hatte 60 Mitglieder | |
– Feier des 50. Stiftungsfestes der Staufia, natürlich in großem Rahmen | |
– Organisation Franz Hemer (Vx) | |
– großartiges Fest für den KV in der Rhein-Main-Region | |
– 500 Teilnehmer im Volksbildungsheim | |
– Ehrenmitgliedschaft für Erzbischof Lorenz Jäger, Paderborn, und Bischof Wilhelm Kempf, Limburg (dh. die Kirche stand noch solide hinter den Verbindungen!!) | |
– Staufia schlägt zum ersten Mal den Heidelberger Schlosskommers | |
– Staufia schlägt den Kommers auf der Burg Klopp (bei Bingen). | |
5. | SS 1956 – Aktivitas hatte 70 Mitglieder – Gründung der Guestphalia |
SS 1961 – Aktivitas hatte 93 Mitglieder | |
6. | Aktivitäten ausserhalb der Verbindung |
– 1958: fünf Staufen sind in der akademischen Selbstverwaltung tätig | |
– SS 1960 drei Staufen im Studentenparlament; später 5 Staufen im Parlament | |
– ein Staufe (Steffen Bürkle-Storz) war stv. Vorsitzender des AStA | |
– Winter 1964/65 – Patenschaft der Staufia für einen Priester in der Mission (DM 4.000). |
Resümée: die Jahre 1950 – 1966 waren eine glanzvolle Epoche für Staufia
Der Weg zum gesellschaftlichen Erdbeben (1968 ff)
1. | Ab Mitte der 60iger Jahre dreht sich der Wind in Deutschland heute wissen wir: die 68iger Jahre bereiten sich vor |
– der Wiederaufbau nach dem II. Weltkrieg war abgeschlossen (abgearbeitet) | |
– CDU-Regierung (Adenauer + Erhard) hatten abgewirtschaftet | |
– erste wirtschaftliche Probleme (Konjunkturkrise) setzten ein (Schiller + Strau) | |
– SPD (Brandt) mit dem Motto: „mehr Demokratie wagen“ „demokratischer Sozialismus“ | |
– Reaktion und Reaktionäre (Alt-Nazis in hohen Stellungen; Filbinger!!) | |
– jetzt sollten die demokratischen Freiheiten neu gelebt und verwirklicht werden (z.B. der Umweltgedanke und die Bürgerinitiativen = Vorläufer der Grünen kommen auf!) | |
2. | Folgen an der Universität: |
– politische Studentenorganisationen (SDS etc,) holen die Mandate im Studentenparlament | |
– gleiches gilt für den AStA und die studentische Gremien | |
– Vorurteil: Korporationen pflegen reaktionäre Gesinnung, wird wieder virulent | |
– Politisches Mandat der Studentenschaft (neben den Parteien) wurde reklamiert!!! | |
3. | Auswirkungen auf die Aktivitas |
– endlose Diskussionen über diese Entwicklungen in der Gesellschaft (= gut) | |
– neue Freiheiten in der Verbindung (problematisch) | |
– Aktive haben extensive Rechte, aber praktisch keine Pflichten (Präsenz, Mitarbeit) | |
– Comment wurde als Provokation nicht mehr eingehalten (Kleidung, Geldstrafen etc.) | |
– Kommerse etc. werden als überholt angesehen | |
– Nachwuchswerbung gegen das gesellschaftliche Vorurteil wird schwierig bis aussichtslos. | |
4. | Entwicklung der Aktivitas |
– 1963 – erste (noch geringfügige) Nachwuchsprobleme | |
– 1965 – Füxe werden praktisch sofort als Vollmitglieder aufgenommen | |
– 1966 – Prüfung der Idee, in Frankfurt ein KV-Haus einzurichten | |
– 1968 – Einsetzung einer Reformkommission für Staufia (ohne greifbares Ergebnis) | |
– SS 1969 – Aktivitas hatte noch einen Bestand von 65 Mitgliedern (meist Inaktive) | |
5. | Generationenkonflikt mit der Altherrenschaft |
– Generationenkonflikt war allgemeines gesellschaftliches Problem | |
– Autorität war verdächtig „antiautoritäre Erziehung“ und … | |
– emotionelles Vorurteil gegen alle Erwachsenen „Trau keinem über 30“ | |
– Traditionelles galt als unreflektiert und war deshalb „verbürgerlicht“ | |
– die Diskussionen mit den Alten Herren waren damals häufig „vergiftet“ | |
– Konflikt im KV über die Aufnahme von Nichtkatholiken in KV-Korporationen Aktive preschten vor und wollten gegen die KV-Satzung handeln Altherrenschaft wollte lieber etwas warten (1971 löste sich das Problem) Alte Herren blieben aus Protest den Veranstaltungen der Aktiven fern | |
– Persönliche Verbindung i.S.d. Prinzips Amicitia hat entsprechend gelitten | |
– trotzdem haben die AHAH mit lfd. Spenden den Erwerb des Hauses ermöglicht!!! | |
6. | Ab 1970 mit Bb Franz Hemer wieder in ruhigeres Fahrwasser: |
– Erwerb des Hauses Robert-Mayer-Straße 36 im Jahr 1970 – Hoffnung für die Aktivitas | |
– Wahl von Bb Franz Hemer (knapp 40 Jahre jung) zum AH-Vorsitzenden | |
– Franz genoss Anerkennung und Vertrauen bei den Aktiven und bei den AHAH. |
Der langsame Niedergang (1970 – 1982 – 1992)
1. | 1970 – 1977 |
– die ersten Jahre im neuen Heim (seit 1972) waren Jahre der Stagnation | |
– SS 1973 – Aktivitas hatte noch 29 Mitglieder (davon 10 Aktive) | |
– Vorstände waren motiviert: Diskussionsabende „Staufia aktuell“ | |
– Themen: Hausbesetzungen, Ölkrise, Autorität der Kirche | |
– Aktivitas ringt um modernes Gesicht und neue, zukunftsträchtige Richtung!! – ohne Erfolg | |
– trotzdem langsamer Niedergang, Substanz wurde aufgebraucht | |
– neue Ideen bzw. neuer Schwung stellte sich nicht ein. | |
2. | 1977 – 1982 |
– Substanz war aufgebraucht, Niedergang beschleunigt sich | |
– Gefühl: „die Uhr ist abgelaufen“ schleicht sich ein und lähmt den Elan | |
– Nachwuchs kann kaum noch geworben werden | |
– Alte Herren machen vorübergehend das Semesterprogramm = auf die Dauer kein Zustand | |
– Cumulativkonvente erörtern die Lage – ohne dass es zu einer Wende kommt | |
– im SS 1982 wird dem KV mitgeteilt, dass Staufia „vertagt“. | |
3. | Reaktivierung 1985 |
– Bb Jochen Kammerer hatte vier Abiturienten für Staufia interessiert | |
– Vorbereitung 1984 (beim 80. Stiftungsfest in Straßburg) | |
– Reaktivierung 1985 im Rahmen des 81. Stiftungsfestes (4 AHAH + 4 Studenten) | |
– Vorstand bestand aus AHAH, Gestaltung der Semesterprogramme | |
– Ss 1987 – Aktivitas hat 12 Mitglieder | |
– WS 1989/90 – Aktivitas hat 15 Mitglieder | |
– SS 1992 – Aktivitas gibt auf | |
– Aktivitas hat an der Universität nie Fuß gefasst | |
– praktisch kein Nachwuchs aus dem Freundeskreis der Aktiven | |
– nur Zugewanderte und Empfehlung von Alten Herren | |
– „Reaktivierung“ i. S. einer aus sich heraus lebenden Verbindung hat nicht stattgefunden. |
Staufia – was nun?
1. | Feststellung: Die Altherrenschaft ist eine eigenständige Korporation |
– die Zeit in der Aktivitas bleibt in Erinnerung | |
– die bundesbrüderliche Verbundenheit besteht weiter | |
– die Pflege der bundesbrüderlichen Verbundenheit ist gewünscht und ein Wert an sich ! | |
– Jährliche Stiftungsfeste und gelegentliche Staufentage und Ortszirkel Bundestag | |
2. | Frage: ist Reaktivierung der Staufia als eigenständige Korporation wichtig/wesentlich? |
(1) | Entwicklung des KV und des Korporationswesens allgemein: |
– 120 Altherrenvereine und 80 Aktivitates (bei abnehmender Tendenz) | |
– Form und Inhalt von Korporationen sind derzeit an den Universitäten nicht modern | |
– nur ca. 1 % der Studenten sind derzeit korporiert (sämtliche Verbände) | |
– Verbindungsgedanke ist momentan nicht aktuell !! weder KV noch andere Verbände. | |
(2) | Reaktivierung der Staufia? |
– in Frankfurt mit Frankonia und/oder Guestphalia – derzeit nicht realistisch | |
– an einer anderen Universität in Deutschland (z.B. Erfurt) – derzeit nicht realistisch | |
– Erkenntnis, dass es für Staufia – aus heutiger Sicht – keine eigenständige Zukunft gibt. | |
(3) | Überlegung, sich mit einer anderen KV-Korporation zusammenzuschließen |
– wird nicht zu einer neuen Staufia führen | |
– löst also das Problem im Kern nicht | |
(4) | Einstellung zu dieser Erkenntnis: |
– „der letzte macht das Licht aus und zieht die Tür leise hinter sich zu“ | |
– es ist kein Desaster, wir schädigen niemand (anders als bei einer Insolvenz) | |
– Probleme des KV und des Verbindungswesens bestehen fort |
Dr. K. H., Frankfurt am Main, 2004